Unglaubliches Indien

Vor den Ferien versuchte ich einem Kollegen zu erklären, dass es die Inder und ihr Lächeln, die vielen Farben, das gut gewürzte Essen und einfach das grenzenlose Staunen seien, das uns nun zum dritten Mal nach Indien ziehen. Endlich im "wahren" Indien angekommen, wird uns erneut bewusst, weswegen die Tourismusbehörde Indien zu Recht mit dem Slogan "Incredible India" - unglaubliches  Indien- bewirbt und wir ganz bestimmt auch noch ein viertes Mal nach Indien reisen werden. 


Insbesondere aus dem Bus oder dem Zug, wenn man dem verrückten Chaos für einen kleinen Moment entkommt und das indische Treiben von sicherer Distanz aus beobachten kann (ohne Angst zu haben, von einer der vielen Rikschas überrollt zu werden) ist es ein Leichtes, einfach nur zu Staunen: Aus der Rikscha vor uns lucken eine handvoll Schulmädchen in Schuluniform mit weißen Schleifchen in ihren schwarzen geflochtenen Zöpfen. Sobald sie uns sehen, beginnen sie breit zu grinsen und ihre großen dunklen Augen strahlen. An einem Truck halten sich Arbeiter unbeschwert fest und scheinen den Wind, der ihnen die geölten Haare zerzaust, dankbar anzunehmen, trotz des Staubs und der sichtbar schwarzen Abgase der katalysatorlosen Gefährten.



Am Straßenrand, einer Ansammlung von Sand, Steinen und Müll, balanciert eine Frau gekleidet in einen wundervoll schimmernden Sari eine Blechkiste auf dem Kopf, in einigem Abstand dazu läuft ein Pilger. Bis auf einen String und eine Perlenkette trägt er nichts. Im Gegensatz dazu passieren wir eine ganze Gruppe von Pilgern, die von Turban über Brustbeutel bis hin zu dem leicht um ihre Hüften gebundenen Doti in orange gekleidet sind. Es sind so viele, ihr Dorf muss ganz leer sein. Ganz vorne der Fahnenträger. Die Farbe der Fahne ist selbstverständlich orange. In der Luft wehen bunte Drachen. Die dazugehörigen Kinder, die sie steigen lassen, vermuten wir auf den flachen Hausdächern. Und so geht es die ganze Zeit weiter - unglaublich schön und spannend. 



Man kann einfach nicht anders als wach zu bleiben und alles in sich aufzusaugen. Und sollte man doch mal kurz wegnicken, dann wacht man spätestens bei der nächsten Vollbremsung einer Schafherde, einer Kuh, einem Affen oder auch nur einer von seiner Bahn abgekommenen Rikscha zu Liebe, wieder auf ;-) 





Doch es gibt nicht nur Schönes zu bewundern, sondern eben auch das krasse Gegenteil: Müll wohin man schaut - und das obwohl Indien seit Jahren die Verwendung von Plastiktüten gebannt hat- und unglaubliche Armut. Oft sehen wir Männer ohne Beine, die auf einem Skateboard die löchrigen Gehwege in den Städten entlangrollen. An ihren Händen tragen sie Flip Flops, die sie beim Vorankommen unterstützen. Welches Schicksal verkrüppelte Frauen erleiden, können wir uns nur ausmalen. 

Schwer zu ertragen sind die vielen schmutzigen Kinder mit ihren zerzausten Haaren und zerrissenen Klamotten, die sich bettelnd durch die im Stau steckenden Transportmittel schlängeln, an die Scheiben Klopfen und auf das Mitleid und das Wohlwollen anderer angewiesen sind, denen ein "Einkommen" von 20 Cent am Tag ausreichen, um die Versorgung ihrer Familien zu sichern, die zum Teil nur unter einer Zeltplane Unterschlupf finden. Und das Schlimmste sind die auf den Bordsteinen liegenden Menschen, von den man nur erahnen kann, in welchem Zustand sich ihr Körper befindet. Menschen, die wie der viele Müll einfach da liegen und von Fliegen umkreist werden.





In Jaipur, berühmt für seinen Palast der Winde, scheint der Kontrast bereits groß, doch ganz besonders frappierend ist er in Delhi, wo Moderne und Fortschritt in Form von 14-stöckiger Bürogebäude und 5-Sterne-Hotels, polierter BMWs, geregeltem Verkehr, blankgefegter Gehwege und größzügiger Wohnanlagen auf Altertum und Rückständigkeit treffen. Zum Teil äußert sich dies besonders in Old Delhi auf exotische und interessante Weise, zum Teil sind die Unterschiede und Ungerechtigkeiten einfach nur unfassbar.  


Während unserer vergangenen Aufenthalte in Indien haben wir Delhi immer gemieden, da uns Reisende und Einheimische sagten, wir sollen nur mit etwas mehr Zeit und dem Budget für ein klimatisiertes Zimmer dorthin reisen. Diese beiden Kriterien trafen dieses Mal zu und wir können nur sagen: Delhi lohnt sich und ist bei Weitem nicht so schlimm wie alle prophezeiten. Es ist eine super grüne Stadt und auch das mit dem Atmen ist gar nicht so schlimm. 




Ganz besonders gefallen haben uns Humayun's Tomb, Vorgänger des Taj Mahal, Old Delhis Gewirr an Marktstraßen und Snackständen, die Moschee Jama Masjid (auch wenn wir dort der Fotomanie der Inder gnadenlos erlagen) und die bereichernden Begegnungen mit Einheimischen und Einwanderern. 


Nun sind wir schon seit ein paar Tagen in Sri Lanka und lassen die Seele baumeln, die Eindrücke der vergangenen Wochen sacken und genießen die frische Meerluft.

Viele Grüße von Timo, Hanna und jeder Menge Inder 





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