Zu Gast bei Freunden oder Ohne Hupe durch den Iran
Mein Kopftuch sitzt noch etwas schief als der Grenzbeamte am Tor zum Iran an unseren Pässen riecht und Timo fragt, ob er denn auch zwei Frauen habe; Ngan, die vietnamesische Tramperin, die wir fünf Tage zuvor an der Grenze zu Turkmenistan aufgegabelt haben, sitzt nämlich immer noch bei uns im Auto. Timo verneint die für uns völlig absurde Frage mit einem Augenzwinkern, der Grenzbeamte lächelt, scheint auch keine Drogen in unserem Pass erschnüffelt zu haben und heißt uns breit grinsend sehr herzlich im Iran willkommen.
Nach sieben Monaten des Reisens in mehr oder weniger autoritären Staaten und damit einhergehender (Selbst-) Verherrlichung der jeweiligen Staatsoberhäupter, lernen wir heute gleich zwei neue, zur Ausnahme nicht eigens ermächtigte, sondern von Allah gesandte Persönlichkeiten höchsten Rangs kennen: Ayatollah Ruholla Khomeini, der Revolutionär, auf den die Gründung der Islamischen Republik Iran 1979 zurückgeht sowie seinen Nachfolger Ayatollah Ali Khamenei, der seit 1989 dessen Ideologie und Gesetze durchsetzt. Darunter unter anderem die Hidschab-Pflicht für Frauen, der auch weibliche Reisende ausgesetzt sind bzw. zum Opfer fallen: In den kommenden 30 Tagen heißt es also Haare und weibliche Kurven, Po, Handgelenke und Knöchel bedecken, denn die Augen der beiden wachen überall - vielmehr noch als es die Augen Xinpings, Nazarbajevs, Rahmons und Berdimuhamedovs taten.
Das Straßenbild im Iran ist sehr islamisch geprägt. An jeder Dorfeinfahrt begrüßen den Besucher die Imame Khomeini und Khamenei, sowie Märtyrerbilder junger Männer, die im Iran-Irakkrieg der 80er Jahre ihr Leben ließen. Verschleierte Frauen machen auf riesigen Billboards Werbung für Häusliches wie bspw. Waschpulver und Küchenutensilien. Jede Raststätte verfügt über eine kleine wunderschöne Moschee mit Goldkuppel und es ist nicht ungewöhnlich, Gläubige am Straßenrand oder auf den dafür vorgesehenen Gebetsplattformen beten zu sehen.
Außerhalb der (Millionen-)Städte ist der Iran leer und wir finden meist einen geeigneten ruhigen Stehplatz.
Vor ein paar Tagen hatten wir auf Couchsurfing einen sogenannten open request für Mashad reingestellt, unserem ersten Stopp im Iran, woraufhin wir 37 Einladungen erhielten. Am Ende entschieden wir uns für einen von vielen Mohammeds, denn bei dem Namen des Propheten kann man ja nichts falsch machen. Mohammed ist 25, Medizinstudent, lebt bei seinen Eltern und plant nach seinem Studium, welches ihm auch im Iran Erfolg und Geld verspricht, nach Deutschland oder in die USA auszuwandern. Eine allgemein höhere Lebenserwartung, die Gleichstellung von Mann und Frau, Toleranz und Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften,... die Liste seiner Gründe ist lang. Und da jeder muslimische Mann neben seiner vier gesetzlich erlaubten Frauen eine weitere temporäre Ehe (von 10 Minuten bis 99 Jahre) eingehen kann, könnte er seiner Interpretation nach sogar bspw. eine Deutsche auf Zeit heiraten ohne gegen seinen Glauben zu verstoßen - Doppelmoral vom Feinsten.
Seine Eltern, Nassrin und Mahmut, sind moderat konservativ. Zwar sind sie sehr gläubig, doch man spürt, dass sie von der vorrevolutionären Moderne geprägt sind. Sie haben beide studiert und arbeiten als Professoren für Geschichte bzw. Pädagogik an der Universität, sie teilen sich den Haushalt, kochen gemeinsam und vor allem viel und sehr schnell wird uns bewusst, dass wir unsere in Nepal erworbene Nachschlagabwehr-Kompetenz zum Besten geben müssen, um nicht Poputschik style aus dem Iran zu rollen. Vier Tage lang verwöhnen sie uns wie ihr eigenes Kind und bei Abreise kommen wir nicht umhin, Proviant für uns und unsere Freunde einzustecken: 1 kg Äpfel, Mandarinen, Pfirsiche und Bananen, Brot, je eine Box mit Baklava, Maulbeeren und Schokolade, Essen für den ersten Abend im Bus und Yogurt fürs Frühstück - iranische Gastfreundschaft aus dem Bilderbuch und das ganze natürlich erst, nachdem uns nach iranischer Manier nochmal Tee und Süßes gereicht wurde.
Wir wollten nur ein Bild von den einladenden Granatapfelständen machen und wurden von den Verkäufern mit Granatäpfeln bombardiert bzw. beschenkt.
Mashad ist neben Qom Irans heiligste Stadt, denn in Irans zweitgrößter Stadt im Nordosten des Landes liegt Imam Reza begraben. Ein aufwendiger Schrein ziert dessen Grab, welches eines der größten Pilgerziele schiitischer Muslime ist. Während unseres Aufenthalts in Mashad jährt sich dessen Todestag und wir werden Zeugen von in schwarz gekleideter bzw. gehüllter, Fahnen schwänkender Pilgerscharen. Wir sind verblüfft, als Mohammed uns übersetzt, dass der Imam die Gläubigen zu Ende des Freitagsgebets tatsächlich mit den Worten „Down with the USA, down with the UK and down with Israel“ aufhetzt und wir kommen nicht umhin, einen ungewollt fanatischen ersten Eindruck des Iran zu gewinnen, ein Eindruck, der durch mein „Verschwinden“ unter einem Tschador zwecks Besichtigung des Schreins nicht gerade gebessert wird. Doch dieser Eindruck soll nicht lange währen.
Für mich sind die ersten Tage im Iran nicht einfach. Die Hidschab-Pflicht und mein Tschador-Erlebnis beschäftigen mich. Im Voraus dieser Reise hatten wir uns ausgiebig mit dem Iran beschäftigt, weswegen uns klar war, dass viele der Vorurteile, die westliche Medien schüren, nicht wahr sind. Wir wussten, dass der Iran nicht gefährlich ist, dass die meisten Muslime hierzulande keine fundamentalen Islamisten sind, dass ein Volk und dessen Regierung nicht über einen Kamm zu scheren sind, dass Frauen im Islam/ im Iran nicht per se von ihren Männern unterdrückt sind, dass die meisten Iraner regimekritisch und dem Westen/ den USA gegenüber sehr wohl gesinnt sind und dass es auch im Iran Wein gibt.
Lehmstadt auf dem Weg nach Kerman in den Süden des Irans
Trotzdem bin ich anfangs überwältigt, von der ungeahnt hohen Anzahl der Frauen, die einen Tschador tragen, der nur das Oval ihres Gesichts frei lässt, und ich habe das Gefühl von sehr viel schwarz umgeben zu sein. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass wir als Besucher des Landes viel Zeit in den Altstädten und Basaren iranischer Städte verbringen, wo vornehmlich ärmere Menschen einkaufen, die grob gesehen zu den religiösen Hardlinern gehören. Ich fühle mich fehl am Platz, fühle mich kritisch beäugt und bewertet und habe Angst, dass mir das Kopftuch runterrutscht und ich mit jeglichem Fehlverhalten jemandes Gefühle verletzen könnte, bin ich doch grundsätzlich bereit, mich den Gepflogenheiten des Gastlandes anzupassen.
Doch mit Überstreifen des Tschadors fühlte ich mich jeglicher Individualität beraubt und auch mit dem Kopftuch fühle ich mich einfach nicht „ich selbst“. Es ist eine krasse aber irgendwie auch wichtige Erfahrung, die ich nicht missen möchte, denn noch einmal mehr bekomme ich am eigenen Leib zu spüren, was es heißt, in einer Diktatur zu leben und ich kann nur erahnen, wie es für die Frauen sein muss, die diesen repressiven Regeln alltäglich ausgesetzt sind. Zudem betrübt mich die Idee, dass unaufgeklärter Glaube Frauen dazu bewegen kann, ihren Körper derart zu verhüllen oder zu verstecken und mich verärgert die Annahme mancher (religiöser) Männer, die Frau habe sich zu verschleiern, da sie den Mann sonst errege.
Bunte Obst- und Gewürzstände, farbenfrohe Teppichgeschäfte und Stoffhandel und reich verzierte Moscheen sind wohltuende Farbkleckse in einem Land, in dem viele Frauen auf der Straße schwarz gekleidet sind.
Da kommt der Besuch bei Esi, Mojtaba und seiner Frau Setareh, unseren Couchsurfern in Kerman gerade recht. Setareh streckt Timo als erste Frau im Iran die Hand entgegen, trägt im Haushalt hautenge Leggins, ein kurzes T-shirt und offenes Haar. Ihr Selbstvertrauen, ihr ansteckendes Lächeln und die Aufschrift auf ihrem T-shirt „gorgeous, stylish, charming woman“ bestätigen meine Gedanken, dass Frauen die Wahl haben sollten, ob und wieviel sie von sich zeigen oder bedecken bzw. verschleiern wollen. Ich schätze mein Glück, die Freiheit zu haben, mich ausleben zu dürfen, wie ich will und keinen staatlich festgelegten Kleidervorschriften ausgesetzt zu sein.
In Kerman gibt es zudem - was sonst - ganz viele Tassen Tee, Schafskopf, vegetarische Pizza (die es im Iran laut Esi eigentlich gar nicht gibt ;-)), Safraneis, Rosenwassersorbet, Spaziergänge durch persische Gärten und eine Sporteinheit für Timo, der am Zoorkaneh-Training (traditionelle persische Kampf-/ Dehnsportart) teilnehmen darf, UND selbstgemachten eisgekühlten Rotwein. Aber Achtung, wer damit erwischt wird, dem drohen 70 Peitschenhiebe - und das nicht nur, wenn der Rotwein eisgekühlt!!! gereicht wird...
Bei Ausfahrt aus der Stadt halten wir an einem Obst- und Gemüseladen und kommen mal wieder in den Genuss der überschwänglichen iranischen Gastfreundschaft. Bevor ich mich versehe, hat Timo eine Banane essbereit in der Hand und während die hyperaktiven Verkäufer mit ihm Selfies schießen, kann ich ganz in Ruhe einkaufen. Bezahlen sollen wir nicht, doch wir bestehen nach iranischen Taroof-Regeln darauf, nach denen man mehrmals ein Angebot bzw. eine Einladung ablehnen muss, bevor man es/sie annehmen darf. Am Ende knicken wir jedoch ein und nehmen das Gemüsegeschenk dankend an. Als Dankeschön für den abschließenden Austausch der Instagramm-Daten, bekommen wir noch einen Granatapfel und zwei Birnen geschenkt und weiter geht‘s - mal wieder vollbeladen. Unser nächstes Ziel ist die Dasht-e Lut, die Wüste im Südosten des Landes.
Der Iran ist ein unglaublich bergiges Land - weit mehr als die Hälfte des Irans liegen auf über 1500m - und so sehen wir während unserer Talfahrt bereits wie sich die Wüste wie ein orangenes Meer in der Ferne ausbreitet. Dazwischen ragen immer wieder die Kaluts, „Schlösser“ aus Stein auf; genau der richtige Ort also, um sich ein paar Tage zu verstecken und Einsamkeit zu genießen. Doch es kommt alles anders als geplant, denn wir treffen hier in der Wüste auf zwei Langzeit-Fahrradfahrer, Marie und Benno, aus Köln. Sie sind die ersten westlichen Reisenden, die wir seit unserer Ankunft im Iran treffen und es tut richtig gut, sich während des tosenden Sandsturmes in der Nacht in unserem Auto über Kopftuchzwang, Verschleierungspflicht, Reiserouten und - pläne und allerlei Erlebtes auszutauschen. Endlich finden wir mit den beiden auch kalorienhungrige Abnehmer für die Süßigkeiten, die uns Mohammeds Eltern mit auf den Weg gegeben haben. Die beiden reisen leider nicht wirklich in unsere Richtung, denn sie sind auf dem Weg nach Pakistan und wir auf dem Weg nach Armenien, doch für einen Tag nehmen wir sie samt ihrer Räder und ihrer gefühlt tausend Packtaschen in unserem Auto mit - ein kurzes aber sehr erlebnisreiches und amüsantes Vergnügen. Und wer weiß... vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja im Januar nochmal ;-) Schön wär‘s!
Gesundes (Sportler-)Frühstück
Nachdem die beiden wieder auf zwei Rädern unterwegs sind, warten auf uns die Städte Yazd, Isfahan und Shiraz und natürlich die ehemalige Regierungshauptstadt des persischen Reiches, Persepolis - einer dieser Orte schöner und bezaubernder als der andere.
Es fehlt in keinem iranischen Haushalt: Ein Bild in Schah-Verkleidung ;-)
Der Iran ist ein Land, das zugleich fasziniert und schockiert, das Fragen aufwirft und nur zum Teil beantwortet und der Iran ist vor allem ein Land, das so manch herkömmliche Verhaltensweise auf den Kopf stellt. Normalerweise versuchen wir große Reisegruppen zu vermeiden, da sie binnen weniger Minuten andachtsvolle Orte in reinste Touristenattraktionen verwandeln. Doch im Iran, vielmehr in Persepolis, tut es gut von vielen weißhaarigen und teils unbekümmerten Deutschen und Italienern umgeben zu sein, denn für einen kurzen Moment fühlen wir uns wie zu Hause. Bei locker sitzendem Kopftuch und hochgekrempelten Ärmeln erkunden wir dank virtual reality 3D-Brille stundenlang den einstigen Glanz der mehr als 2000 Jahre alten Perserstadt.
Shiraz und Isfahan bilden für uns den Höhepunkt persischer Architektur, geschäftigen Seidenstraßengefühls und iranischer Gastfreundschaft. In Shiraz treffen wir uns mit einer ganz liebenswürdigen und aufmerksamen Familie, die wir in der Wüste kennengelernt haben und die uns, wie es uns sehr häufig passiert, direkt eingeladen hat, sie in Shiraz wiederzusehen. Mehrere Tage lang besuchen wir gemeinsam die überdachten Basare, frönen in schicken Restaurants den (auch vegetarischen) Delikatessen der persischen Küche und kommen in den Genuss eines typischen familiären Picknicks, zu dem wir in einen zwei Stunden entfernten Palmenhain fahren. Für ein Picknick ist den Iranern kein Weg zu weit und sie lieben das Autofahren - zumindest bis die Benzinpreise in der letzten Woche verdreifacht wurden. Dabei sitzen die Frauen hinter getönten Scheiben gerne auch ohne Kopftuch im Auto und genießen ein bisschen Normalität und Freiheit.
Shiraz‘ Pinke Moschee verwandelt sich am frühen Morgen in ein Farbenspektakel - und Fotoshoot.
Eine Sache fällt uns bei den Kennenlern-Geschichten iranischer Paare unseres Alters immer wieder auf: Sie alle haben nicht die Freiheit, sich wie wir über mehrere Jahre kennenzulernen und Zeit in der Öffentlichkeit miteinander zu verbringen bevor sie heiraten, geschweige denn ihren Partner zu wechseln. Manchmal rekrutieren sie ihren Partner aus der näheren Verwandtschaft oder dem Freundeskreis der Familie. Der junge Mann spricht immer beim Vater vor und hält um die Hand der Tochter an, geheiratet wird nicht selten schon mit 20 Jahren, woraufhin die Paare zusammenziehen. Dabei werden die Hochzeitskosten von den Eltern des Mannes übernommen und der Hausstand von der Frau mit in die Ehe gebracht. Von den Paaren, die wir im Iran kennenlernen, haben einzig Jayedee und Mostafa Gesellschaft und Familie ausgetrickst, indem sie über einen langen Zeitraum gemeinsam einen Sprachkurs besuchten, um sich kennenlernen zu können. Die beiden beherbergen uns in Isfahan nachdem unser Auto im Zagros-Gebirge liegen geblieben ist und managen einen Großteil der Verhandlungen mit dem Mechaniker.
Unser Auto-„Unglück“ entpuppt sich als Glücksfall, denn wir lernen durch Jayedee und Mostafa viele weitere zuvorkommende Menschen in und um Isfahan kennen, die alle irgendwie an der Autoreperatur beteiligt sind. Während der vier Tage, die wir in der Großstadt „gefangen“ sind, werden wir mehrere Male zum Essen eingeladen, erhalten lokalkolorierte Stadtführungen und mir wird sogar eine Geburtstags-Überraschungsparty bereitet, inklusive Eselkot-Pfeife gegen meine Erkältung. Dieser Zwischenfall offenbart uns einmal mehr wie schön insbesondere die spontanen Abenteuer des Reisens und wie nachhaltig die zwischenmenschlichen Begegnungen sind.
Geburtstag bei Maysam und Fatima
Die Startschwierigkeiten im Iran sind vergessen und wir fühlen uns inmitten dieser so unfassbar hilfsbereiten, großzügigen und herzlichen Fremden als seien wir von langjährigen Freunden umgeben. Immer essen wir auf dem Boden sitzend, mal monstergroße gekaufte Falafel-Sandwiches, mal selbstzubereiteten Safranreis mit Eintopf, Auberginenmus mit Fladenbrot oder Tomaten-Zimt-Omlett. Immer wechseln wir danach zum zuckersüßen Tee auf die mit Plastik-Schonbezügen versehenen Wohnzimmerstühle und beginnen den Nachtischmarathon mit Obst. Oft haben wir dann Spaß dabei, die kitschigen und freizügigen Hochzeitsfotos der Iraner zu bestaunen und das ein oder andere Mal staunen wir nicht schlecht über die halbnackten Körper türkischer Popsängerinnen im Satelittenfernsehen; natürlich illegal, denn im staatlichen Fernsehen trägt jede Frau ein Kopftuch.
Bei Zohra (ganz rechts) und ihrer wunderbaren Familie; ihr Vater und Mann, die ebenfalls im Autobusiness tätig sind, stehen uns zur Seite, wo sie nur können.
Als wir nach fünf Tagen Isfahan verlassen, sind wir mal wieder reif für eine Wüste; dieses Mal planen wir in der nördlichen Dasht-e Kavir mit ihren grünen Palmenoasen, ausgestorbenen Lehmdörfern und großen Kamelherden Einsamkeit zu finden. Zwei Tage lang verlassen wir das Auto nur an garantiert menschenleeren Orten, um ja nicht wieder eingeladen zu werden ;-)
Und dann heißt es ab zur Grenze, denn unsere Zeit im Iran läuft viel schneller ab als uns lieb ist. Binnen drei Tagen legen wir eine Distanz zurück, für die wir im Pamir drei Wochen gebraucht haben. Irans Straßen sind Allah sei dank beispielhafte Vorzeigeobjekte, was man jedoch absolut nicht von den Verkehrsteilnehmern behaupten kann. Einzig die Abwesenheit aller nicht vier-rädrigen Verkehrsteilnehmer unterscheidet das anarchische Chaos Irans von Indiens. Fassungslos fragen wir uns immer wieder, ob hier überhaupt irgendjemand nicht seinen Führerschein käuflich erworben hat. Unsere Hupe, die ja schon lange kaputt ist und die sich leider nicht reparieren lässt, vermissen wir mehr als Käse oder Sitzklos in China und heiße Duschen in Nepal - ihr könnt euch also vorstellen wie sehr.
Einmal sehen wir ein Fahrschulauto und wundern uns, was man in der hiesigen Fahrschule wohl so lernt, denn sämtliche Regeln, deren Einhaltung bei uns (fast) selbstverständlich ist, scheinen hier außer Kraft gesetzt: Überholt wird rechts, links und vor allem in Kurven, geparkt wird einfach überall, am liebsten abrupt - manchmal auch einfach nur zum Teekochen und Picknicken. Abbiegerspuren gibt es nicht, Kindersitze auch nicht und zwei Fahrbahnen bedeuten dass mindestens vier Autos nebeneinander fahren können. Obwohl die meisten Autos über Blinker und Lichter verfügen, werden sie nie genutzt; letztere noch nicht mal bei Nacht, Nebel oder im Tunnel. Geschwindigkeitsbegrenzungen werden ignoriert und ein Iraner ohne Handy am Steuer ist wie ein Chinese, der nicht mit Stäbchen essen kann oder ein Deutscher, der kein Bier trinkt,... ;-)
Dieses kleine Gadget haben wir von Zohra und ihrer Familie in Isfahan geschenkt bekommen. Neben einem ausgehöhlten Kürbis und einem Minions-Anhänger gehört es zu den skurilsten Gastgeschenken, die wir im Iran erhalten. Während der anstrengenden Fahrt durch den lebensmüden Verkehr hebt es immer wieder unsere Stimmung.
Wenn die Iraner erkennen, dass es sich bei unserem Bus um ein Fahrzeug mit ausländischen Insassen handelt, winken sie wie die Bekloppten, gerne auch mal unermüdliche 45 Minuten lang wie diese Familie, die uns am Ende sogar rauswinkt, um am Straßenrand ein Bild mit uns zu machen und uns einen Sack Walnüsse zu schenken.
Einzig der Wintereinbruch über dem Nordiran holt aus den rücksichtslosen Autofahrern einen Anflug sittenhaften Fahrverhaltens raus. Heldenhaft verlassen wir unglaublicherweise eines der Länder mit der höchsten Rate Verkehrstoter weltweit ohne eine einzige Schramme (Die Zahl der Verkehrsunfälle ist im Iran 100x höher als im weltweiten Durchschnitt). Wir sind erleichtert und Timo freut sich schon bei dem Gedanken daran, ab Februar nur noch 20 Minuten anstelle 40 auf die Arbeit zu benötigen. Eines Tages werden wir in den Iran zurückkehren, denn es gibt noch so viel zu sehen und zu verstehen und so viele Freunde zu besuchen, doch bestimmt nie mehr mit dem eigenen Auto.
Und weil ihr so schön bis zum Ende durchgehalten habt, habt ihr euch jetzt erst mal ein Bier verdient, so wie wir nach Ausreise ins orthodoxe russisch geprägte Armenien. Prost, Hodafes („Tschüss“ auf Farsi) und bis bald!
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