On the fun side of Trump’s wall
Beim Besuch in Chitchen Itzá, einem der sieben neuen Weltwunder
„Wo sind wir denn hier gelandet?“ fragen wir uns bestürzt während unserer ersten Tage in Tulum, im nördlichen Teil der Yucatanhalbinsel, in Mexikos Süden. Große Teile der entlang der Riviera Maya gelegenen Strände im Bundesstaat Quintana Roo, sind privatisiert und eine einfache Strandliege kostet bis zu 15€ (zur Miete und nicht zum Kauf!). Die sich im Hinterland befindenden Cenoten, Wasserlöcher, in denen man baden und schnorcheln kann und die sicherlich nicht (alle) viel spektakulärer als ein einfacher Tümpel sind, sollen bis zu 20$ Eintritt kosten. Und als ob die Natur an sich nicht genügend Vergnügungspotential birgt, locken monströse Werbetafeln mit Abenteuern in künstlich angelegten Wasserparks - für nur 80$ inklusive all you can eat and drink. Fürchterlich - und das nicht nur in Anbetracht unseres bescheidenen Reisebudgets, womit wir pro Kopf in drei Tagen kaum so viel ausgeben können, wie ein einfacher Parkeintritt hier verlangt. Doch die Touristen kommen und zahlen - in Scharen, denn wir sind ja schließlich „on the fun side of Trump‘s wall.“ ;-)
Die Ruinen von Tulum
Andere Tafeln wiederum werben mit Bauplätzen im “letzten Paradies.” Doch paradiesisch ist etwas anderes - egal aus welcher Perspektive man es betrachtet, denn der Klimawandel und die Erwärmung der Ozeane haben dazu geführt, dass Unmengen brauner stinkender Algen an die Strände geschwemmt werden. Somit sind die Strände auf jeden Fall natürlich schön und das türkisfarbene Wasser allein beim bloßen Anblick erfrischend, aber kein Hotelzimmer an diesen Stränden ist mehr seine 500$ die Nacht wert. Doch auch diesen horrenden Preis scheinen viele bereit sein zu zahlen, denn Kaufkraft gibt es hier, im Mallorca der Amerikaner, genug.
Freudensprünge in Bécan
Die Yucatan Halbinsel ist einer der kommerziellsten Orte, an denen wir je waren und nur zu gut verstehen wir, wovor sich die Kubaner bei einer Öffnung fürchten, nämlich vor einer Invasion ausländischer, vornehmlich amerikanischer Großkonzerne, die ungeachtet von lokaler Kultur und Natur nur ein Ziel verfolgen: Profit. Entlang uncharmanter geradliniger Highways reihen sich von Cancún über Playa del Carmen bis hin nach Tulum Starbucks, McDonals, Burger King, Subway, überdimensionale Supermärkte à la Walmart, in denen es ein Überangebot an Süßwaren und -getränken (die Mexikaner trinken weltweit die meißte Coca Cola pro Kopf) und Chips, aber auch an Obst und Gemüse gibt, Shoppingmalls mit Markenstores, Luxusboutiquen, Einrichtungshäuser, Autohändler, auf deren Parkplätzen die Neuwagen neidische Blicke auf sich lenken und massenhaft Tankstellen. Che Guevara würde sich bei diesem Anblick im Grab umdrehen. Doch El Ché begegnet uns hier allenthalben als Bumper Sticker auf Autos. Bob Marley steht dafür hoch im Kurs und dröhnt aus den Lautsprechern der Backpackerunterkünfte, die inmitten der Luxusunterkünfte und Boutiquehotels zu finden sind: „Everything is gonna be alright!“. Wer dem amerikanisierten Lebenstil nichts abgewinnen kann, gehe doch einfach in eines der hyggeligen Hipstercafés und genieße Chia Shakes, Haferkekse oder vegane Sandwiches. Hier ist für jeden etwas dabei. Ähnlich wie beispielsweise in Kathmandu, Bangkok oder Ubud (auf Bali) bekommt der Reisende hier einfach alles (überall, denn Chips gibt es hier sogar in der Apotheke) - und zugegebenermaßen ist das zwischendurch auch mal ganz nett. Wir genießen bei mittlerweile hochsommerlichen Temperaturen Iced Latte (ja genau, mit richtiger Milch!), bessere Croissants als in Frankreich, die karibische Obstfülle und Burritos mit einer Auswahl an Soßen, von der wir noch vor ein paar Tagen nur geträumt haben, denn in Kuba war ja Senf immer schon ein absolutes Highlight.
An diesem Ort, an dem Luxusreisende, Urlauber, Expats und Backpacker aufeinandertreffen, bewegen wir uns also zwischen Traum und Albtraum. Unter anderen Umständen hätten wir sicherlich direkt das Weite gesucht und wären vermutlich ins unterentwickelte, arme und abenteuerliche Guatemala geflohen. Doch nach unserer Radtour in Kuba versuchen wir die Annehmlichkeiten auf der einen Seite zu genießen und dem überzogenen Konsum auf der anderen Seite aus dem Weg zu gehen. Wir besichtigen die Ruinen Tulums und Chitchen Itzás und mieten uns anschließend für eine Woche ein Auto, um einige der vielen Mayastätten abseits der Touristenpfade abzugrasen. Wir fahren bis ins entlegene Calakmul an der guatemaltekischen Grenze, neben Tikal in Guatemala wohl eine der einst größten Städte der Mayas. In deren näherer Umgebung besichtigen wir zudem Chicanná, Bécan und Kohunlich, die Timos Historikerherz höher schlagen lassen - nicht zuletzt da man sich dort fast alleine auf Zeitreise begeben kann, sondern auch da man dort die Pyramiden- und Palastruinen erklimmen kann. Der Ausblick auf das grüne Nichts, unter dem sicherlich noch viele weitere Steine begraben sind, und das Erfassen der schieren Größe der Strukturen, faszinieren uns und machen uns einmal mehr bewusst, wie glücklich wir uns schätzen können, auf dieser Reise zu sein.
Mitten im Dschungel liegt Calakmul
Das Schlangenkopftor in Chicanná: Könnt ihr es erkennen?
Und ganz viel Spaß hatten wir selbstverständlich auch - und der war außer beim Tauchen auf Cozumel umsonst. So hatten wir Glück und waren beim mexikanischen Karneval dabei. Wir staunten nicht schlecht über die ausfallenden Verkleidungen bei den großen Paraden auf Cozumel und den Kinderkarnevalsdarbietungen in Valladolid, den Parties und der Musik. Auch in Bacalar, an einer riesigen Süßwasserlagune kamen wir aus dem Staunen, hier über dessen Wasserfarbe, kaum heraus. Und immer noch finden wir es unglaublich, seit zweineinhalb Monaten nur kurze Kleidung getragen zu haben und jeden Tag Sonne und Palmen gesehen zu haben. Wow!!!
Mit so viel Vitamin D und guter Laune im Gepäck, heißt es nun „Adios, adios Mexiko, wir kommen wieder...“.
Bald beginnen wir mit unserem Projekt „Seidenstraße“ und werden aus dem Reich der Mitte wieder von uns hören lassen...
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