Auf der Suche nach Wasser in Kasachstan


Warum ausgerechnet Kasachstan? Diese Frage stellen uns nicht nur die meisten Kasachen, denen wir hier zu Lande begegnen, sondern diese Frage stellen auch wir uns zu Beginn unseres Aufenthalts im größten Land der ehemaligen Sowjetunion. Auf die Frage interessierter Kasachen, weswegen zwei Europäer so fernab typischer Reiseziele Urlaub machen, antworten wir, dass wir auf wärmste Empfehlung anderer Reisender hier sind und bisher auch nicht entttäuscht wurden. Kasachstan ist ein wunderschönes, landschaftlich sehr vielfältiges Land, prädestiniert für Menschen, die Leere, Stille und unberührte und doch zugängliche Natur suchen. 



















Auf unsere eigene Frage, weswegen wir nochmal nach Kasachstan gekommen sind, finden wir partout keine Antwort - hatten wir doch gehofft, der usbekischen Hitze zu entfliehen. Während wir also bei zermürbenden 48 Grad Celsius die arabische Vergangenheit Kasachstans in und um Turkistan im Südwesten Kasachstans aufarbeiten, wünschen wir uns in die chinesischen unterirdischen akklimatisierten Malls zurück.






In Sauran, wo einst eine große Seidenstraßenoase stand, freuen wir uns einfach nur noch als die Sonne endlich untergegangen ist.









Im Sayram Ugam Nationalpark, dessen Berge die Grenze zu Kirgistan bilden, finden wir kurzzeitig auf Höhen zwischen 2000-3500m die ersehnte Erfrischung. 


Selten haben wir uns so über dicke graue Wolken und schließlich Regen gefreut.




Zum Frühstück gibt es dann auch endlich Müsli mit eiskalter Milch, gekühlt im Gebirgsbach.













Während unserer 1000km langen Fahrt von Turkistan in den Osten Kasachstans, in die Region um die einstige Hauptstadt Almaty, fahren wir also von blauem Fleck zu blauer Linie auf der Landkarte und sind nicht selten enttäuscht, ausgetrocknete Seen und Flussläufe vorzufinden. Die teils eintönige Steppenlandschaft und die kilometerlangen trockenen erntereifen Weizenfelder machen die Situation nicht gerade besser. 









Doch zum Glück ist das neuntgrößte Land der Welt bestens mit Tankstellen europäischem Standards versorgt, sodass wir bei Gazprom, Kasachprom, Sinooil, Helios & Co häufig ins Kühlregal greifen, um unsere Körpertemperatur noch weiter runterzufahren als es die Klimaanlage unseres „Poputschiks“ (so haben wir unser Auto getauft) sowieso schon vermag. Und wenn wir dann an einem Fluss oder See vorbeikommen, gesellen wir uns zu den urlaubmachenden kasachischen Familien und den Lastwagenfahrern, die so wie wir auf der Suche nach Abkühlung sind. Wie gut, dass Kasachstan, trotz dessen, dass die meist praktizierte Religion der Islam ist, sich so viel seiner kürzlichen russischen Vergangenheit bewahrt hat, sodass das Baden im Bikini für mich, im Gegensatz zu Usbekistan, nichts Ungewohntes für die Lokalbevölkerung ist. 




Nicht selten werden wir morgens von Pferde-/ Ziegen- oder Schafsherden geweckt - auch auf Wassersuche.







Kasachstan ist damit das erste Land, das wir bereisen, in dem Frauen Hotpants und durchsichtige Netzoberteile tragen und wir zugleich Männer mit mehreren Frauen antreffen. Wir sind beeindruckt von der ungeahnten Religionsfreiheit und müssen an Westchina zurückdenken, wo Religionsausübung zu Minuspunkten im Sozialkreditsystem führt. Insgesamt wirkt Kasachstan wie ein Land unbegrenzter Möglichkeiten, was sich nicht zuletzt in seiner Hauptstadt wiederspiegelt. 1997 von Almaty ins Zentrum des Landes verlegt, wurde Astana, was auf kasachisch einfach „Hauptstadt“ bedeutet, erst vor kurzem zu Ehren des seit Zusammenbruch der Sowjetunion regierenden Präsidenten, Nursultan Nazarbayev, der seit März jedoch nur noch im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, umbenannt. Während die meisten Städte viele Gesichter haben, hat Nursultan nur eins: Größenwahnsinnig monumental. Es wirkt als habe ein kleiner hoch fantasievoller Junge mit einem zu Weihnachten neu erhaltenen Spielzeugsteinekoffer eine Stadt auf einem riesigen Spielteppich kreiert und dabei erfolgreich ein Gebäude kolossaler als das andere gebaut, mit dem Ziel Macht zu demonstrieren. Finanziert durch den Ölhandel sind Spiegelachsen von Ost nach West und Nord nach Süd entstanden; goldene Kuppeln, Prachtboulevards, endlose Cafés, Restaurants und Schönheitssalons, eine Mall mit Achterbahn, Freefall, Schwimmbad und Palmenstrand. Nicht umsonst wird Astana auch das Dubai Zentralasiens bezeichnet. 


In der Kugel des Bayterek Turm befindet sich ein in Gold gegossener Handabdruck des Präsidenten. Es soll Glück bringen, seine Hand hinein zu legen...






Präsident Nazarbayev grüßt nicht nur von Plakaten im ganzen Land, sondern ist auch in vielerlei Kunst verewigt.


Schon früh werden die Kleinen getrimmt, nach materialistischem Glück zu streben: 3€ kostet eine 15-minütige Fahrt im ferngesteuerten Auto. Ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass der Durchschnittsverdienst knapp unter 500$ im Monat liegt.













Doch je mehr man sich von der Hauptstadt entfernt, desto unzufriedener scheinen die Menschen zu werden. Zugbekanntschaften, Couchsurfer und Hostelangestellte im kosmopolitischen Almaty, der kulturellen Hauptstadt, schimpfen über schlechte Bildung, ungleiche Geldverteilung, Vetternwirtschaft, eingeschränkte Meinungsfreiheit (Facebook und Whatsapp sind nicht selten blockiert) und enorme Korruption insbesondere seitens der Polizei. 












Unser neues Lieblingkraut: Dill, 16cent das Bund.



Auch wir haben uns schon in den Fängen letzterer befunden und erfahren, welche Befangenheit und was für ein Ohnmachtsgefühl diejenige Obrigkeit in uns auslösen kann, die doch eigentlich für Sicherheit sorgen soll. Trotz unseres Meditations- und Lachtrainings in China können wir kaum anders als uns darüber aufzuregen, wenn ausgerechnet wir, die wir, im Gegensatz zu den meisten Kasachen, eine Fahrschule besucht haben und die Straßenregeln kennen und uns daran halten, aus dem Verkehr gezogen werden. Unsere Taktik, so zu tun als verstünden wir kein Englisch und als seien die Google-Übersetzungen ins Deutsche unverständlich, funktionierten bislang einwandfrei und wir sind glücklicherweise drum herum gekommen, Schmiergeld zahlen zu müssen. Den Rat eines anderen Reisenden, wenn man von der Polizei herausgewunken wird, einfach weiterzufahren, haben wir uns noch nicht getraut, zu befolgen. Wir versuchen so zu tun, als seien wir in ein Gespräch vertieft und fahren so weit links wie möglich. 




Die Menschen sind oftmals verwundert, wie wir den Weg bspw. in ein entlegenes Dorf oder auf ein Feld gefunden haben. Doch wie auch die Usbeken freuen sie sich uns zu sehen und holen meist ein paar Worte Schuldeutsch raus. 

„Hier geht es nicht nach Deutschland“, weist uns dieser freundliche Mopedfahrer hin ;-) Die Orientierung ist aber auch schwer, wenn es nicht mal ein Wölkchen am Himmel als Anhaltspunkt gibt.
 


Nachdem wir nun fast 3000km seit Beginn unseres Overland-Abenteuers gefühlt in die falsche Richtung gefahren sind und uns immer mehr von Deutschland entfernt haben, geht es in der kommenden Woche nach Kirgistan und somit ein Stück in Richtung Heimat. Auf dem Weg gibt es noch viel Spannendes zu entdecken und zu probieren, was wir in den kommenden drei Wochen mit meinem Bruder und seiner Freundin teilen werden. Zwar hat Timo schon Pferdefleisch gegessen, doch die in Zentralasien so berühmte vergorene Stutenmilch, Kirmiz, ist uns bislang erspart geblieben. Wir hoffen, dass unsere Verstärkung uns bei den bevorstehenden Mutproben beisteht ;-) und freuen uns auf ein Stück Heimat in der Ferne. 



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