Tour de Mojito



Bei unserer Ankunft am Flughafen werden wir von einer breit lächelnden Kubanerin herzlichst begrüßt. Die Grenzbeamtin trägt Netzstrumpfhosen und ein sehr (!) kurzes Röckchen, das jedes Cheeleader Outfit in den Schatten stellt. Doch in Kuba kleiden sich nicht nur Staatsdienerinnen in Outfits, wie sie normalerweise eher bei Frauen am Steintor oder im Moulin Rouge zu finden sind. Insgesamt scheint die weibliche - und auch männliche - Mode stark geprägt von den sich räkelnden Tänzer/innen in den Musikvideos lateinamerikanischer Songs, wie beispielsweise dem Hit „Sin Pijama“ (ohne Pyjama), der Kuba ganz gut auf den Punkt bringt: je knapper desto besser! 

Doch zeigt sich die „Knappheit“ nicht nur in der Kleiderwahl, sondern eben auch in vielen anderen Bereichen wie Geld (Bankautomaten funktionieren nur sehr unzuverlässig), Essen (private Restaurants oder staatliche Cafeterien verfügen meist noch nicht einmal über die Hälfte der in der Speisekarte angepriesenen Gerichte), Benzin und somit Autos. Letzteres kommt uns beim Fahrradfahren natürlich besonders zu Gute - dazu aber später mehr. Erst einmal kommen wir auf der Fahrt vom Flughafen Holguins in die Stadt in den Genuss eines bei uns sicherlich als Sammlerstück gehandelten Autos.







Die Revolutionshelden, Fidel Castro und Che Guevara, sind in Kuba allgegenwärtig.








Frank, der Besitzer unser ersten Unterkunft, einer sogenannten „Casa particular“, einer Privatunterkunft, die es hier auf Kuba immer öfter geben darf, holt uns mit einem schicken Oldtimer ab, der hier so viel kostet wie ein Mittelklasse-Neuwagen bei uns. Letztere gibt es hier kaum und da Kuba durch das Handelsembargo vom Welthandel abgeschnitten ist, wird das wohl auch noch einige Zeit so bleiben. Lediglich Peugeot scheint irgendeinen Deal mit Raúl Castro und seinen Komplizen zu haben, denn wir sehen ausschließlich diese Neuwagen in Form von Taxis und Mietautos für Touristen. Nach unserer kurzen Fahrt im Oldtimer geht es schon am ersten Abend weiter mit den neuen Eindrücken und sicherlich auch irgendwie „Stereotypen“, die das Gesicht Kubas prägen und denen wir schnell verfallen: Livemusik an jeder Ecke, d.h. ältere Herren, die in den Bars und Tanzlokalen Musik zum Besten geben; dazu Salsa tanzende Menschen, günstige Mojitos, Cuba Libres oder Daiquiris, denn eins scheint in Kuba nie knapp zu sein und das ist „Ron“ (Rum). 


Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion muss Zuckerrohr von den Macheteros wieder per Hand geerntet werden.


Die Zuckerfabriken brökeln...



... so wie der Glanz der Revolution...


... und das, obwohl Kuba alles dafür tut, sich weiterhin als „antiimperialistischer Schützengraben“ zu verkaufen.


Sogar Cola gibt es nur als Imitat seines amerikanischen Konkurrenten.


Wer braucht schon Cola, wenn man Zucker in seiner pursten Form bekommen kann.

Propagandaschilder wie dieses werben allernorts für die Vorzüge der Revolution: „Korruption ist der Feind der Revolution.“ Leider begünstigt Kubas Politik massenhaft Korruption.















Auffallend ist dort, wo getanzt, musiziert und getrunken wird, dass viele Pärchen aus entweder einem alten Westler mit einer jungen Kubanerin oder einer westlichen jungen Frau mit ihrem kubanischen Liebhaber bestehen, wobei der Ausländer meist nur als Sprungbrett in ein (kurzweilig oder langfristig) besseres Leben oder als Einkunftsquelle zu den mickrigen 10-30$, die ein Kubaner im Staatsdienst monatlich verdient, fungiert. Besonders schlimm ist dieses Bild natürlich in den staatlichen All-inclusive Hotels, denen wir aber die Casas particulares vorziehen, da wir dort mit den Locals in Ruhe über all die schönen und auch unangenehmen Dinge Kubas sprechen können und viel über das Leben hier lernen. Nur einmal haben wir uns in ein All-inclusive Hotel namens „Club Amigo“ eingebucht: Als wir nach den ersten fünf Tagen Radfahren auf Grund erschwerter Essensbeschaffungsbedingungen nie richtig satt waren und allein der Gedanke an ein Buffet uns schneller in die Pedale treten ließ. 





Blick von den Hängen des Pico Turquino, Kubas höchstem Berg, auf die Küste.







„Ein moralischer Gigant, der jeden Tag weiter wächst.“



Bereits am ersten Tag sahen wir Menschen, die durch die uneinladenden Schaufenster in die Geschäfte schauten, ob es neue Produkte gibt. Dieses Bild kennen wir nur aus der DDR! Der Sozialismus bedingt eine Knappheit an Produkten, die im Moment noch schlimmer zu sein scheint als noch vor ein paar Jahren, denn Venezuela, der sozialistische Bruder und auch Brasilien liefern manche Produkte nicht mehr. So gibt es momentan beispielsweise kaum Brot, da die Bäckereien kein Mehl vom Staat geliefert bekommen oder Ersatzteile zur Reperatur der Brotbackmaschinen fehlen. Die Schlangen vor den Bäckereien sind lang und ist der Kubaner dran, kauft er/sie natürlich so viel wie möglich, um es entweder zu horten oder weiterzuverkaufen. Dies verschlimmert die Knappheit natürlich. 

Allgemein gilt hier nicht das kapitalistische Prinzip von „Angebot und Nachfrage“. Die Drogerien haben zum Beispiel eine Hälfte der Regale bis oben hin gefüllt mit drei (!) verschiedenen Haarshampoos - die andere Hälfte ist komplett leer. Die kubanische Telekom hatte zwei Typen von Telefonen im Angebot. Der Rest der Vitrinen war ebenfalls leer. „... gibt es heute nicht“ hören wir mehrmals täglich und auch wir haben uns vor allem während der ersten zwei Wochen im ländlichen Osten Kubas das oben beschriebene Verhalten der Kubaner angewöhnt und entweder so viel gegessen wie wir konnten oder Essen gehortet, ganz nach dem Prinzip „was man hat, hat man.“


Typisch Kuba: Meist sehen wir in den Schaukelstühlen noch einen alten Mann mit Strohhut und Zigarre, der uns auf dem Rad hinterher winkt.


Ein vegetarisches Festmahl, wie wir es nur in den Privatpensionen erhalten: Fritierte Kochbananen, Salat, Reis, kubanischer Bohneneintopf. Für Timo gibt es immer noch ein Stück „Pollo“, Huhn, oder Fisch.




Die Kubaner lieben Eis; eine Kugel kostet umgerechnet 0,04€ und ist damit sogar billiger als Rum, der wiederum billiger ist als Wasser und Essen; kein Wunder, dass Kuba ein Alkohol- und Diabetesproblem hat.



Mittlerweile ist die touristische Infrastruktur und somit unsere Versorgung etwas besser geworden. Je weiter wir gen Westen, also zur Haupstadt Havanna, kommen, desto touristischer ist es. So können wir gut jeden Tag um die 70 Kilometer mit unseren Rädern, die wir bei „Profil Cuba-Reisen“ für sechs Wochen gemietet haben, durch die einsrucksvolle Landschaft Kubas fahren und Kubas Natur auf langsame Weise und in vollen Zügen genießen, denn an Zuckerrohrplantagen, Bananenstauden, Palmenhainen, Bergen, Meerblicken, Stränden, Kakao- und Kaffeeplantagen, bunten Vorgärten und Sonne mangelt es in Kuba nie! 


Schwimmstopp am einsamen Strand unterwegs


Stacheldrahtzaun à la cubana




Fahrradfahren im Paradies


Eigentlich sind die Straßen meist gut, wenn auch häufig löchrig; so schlecht wie hier waren sie selten. Bislang haben unsere Räder bestens gehalten.



Ein großer Vorteil des Radfahrens ist, dass wir überall anhalten können und viel Kontakt mit Einheimischen haben, die, wenn sie nicht hinten auf einem Lastwagen stehend von A nach B fahren, auch entweder mit dem Rad oder der Pferdekutsche unterwegs sind, denn Autos gibt es ja kaum. So konnten wir neulich mit Peter aus der Schweiz zu dritt nebeneinander auf der Autobahn radeln - linke Spur natürlich! Während der Rush-Hour kamen dann drei Autos vorbeigerattert, danach wieder Stille. Ein Traum für jeden Fahrradfahrer. Selbst in Santiago de Cuba, der zweitgrößten Stadt des Landes, war von Verkehr nichts zu spüren. Hier haben wir dann aber mal unsere Räder stehen lassen und uns ganz der Musik des Son, dem Rum und dem Tanz der Salsa hingegeben.


Bei der Auffahrt auf die Autobahn zwischen Guantánamo und Santiago de Cuba ist Vorsicht geboten: Es könnte EIN Auto kommen.





Eine von einem Hurrikan beschädigte Straße






Die Helden, Peter und Timo (und ich), wie uns andere Touristen aus dem Auto hinterherriefen.





Mittlerweile sind wir nach fast 1000 km Strampeln im Nordosten des Landes angekommen, haben „La Farola“, eine Passtrasse mit 300 Kurven, erfolgreich passiert, Kubas höchsten Berg, den Pico Turquino erwandert und genießen das Kennenlernen anderer Reisender, darunter Joan aus Spanien, Viktoria und Friedrich aus dem Kreis Hannover, Erhard aus Kanada (born in Kassel, lived in Hedemünden!) und natürlich Ron. Da nur wenige Reisende wie wir mit dem Fahrrad reisen, tut dieser Kontakt richtig gut. 

In den kommenden Wochen werden wir Strandhopping mit dem Rad betreiben und uns dabei stetig in Richtung Westen bewegen; von dort dann wieder mehr. 

Sonnige Grüße y hasta luego!


Und wenn wir mal nicht radeln oder Mojito trinken, lassen wir die Seele in unserer Hängematte baumeln oder genießen Kuba aus einer anderen Perspektive wie hier während einer Bootsfahrt auf dem Río Tao.

Kommentare

Kommentar veröffentlichen