Ostergrüße aus Südchina
Stellt euch folgende Szene vor: ihr seid in China und seid soeben, nach einer langen Autofahrt, in eurem Hotel angekommen. Ihr seid hungrig, denn außer ein paar Erdnüssen und einem Schokoriegel gab es wenig, was ihr in den vergangenen acht Stunden hättet essen wollen. Ihr sehnt euch nach einem sauberen westlichen Klo und müde seid ihr auch. Draußen wuseln wie immer viel zu viele Chinesen, es ist laut und schwül. Ihr könnt den Gedanken, wie schön es jetzt wäre, zu Hause zu sein, nicht ganz von euch weisen... Der Besitzer des Hotels, mindestens drei Köpfe kleiner als Timo, steht mit seinem Handy vor euch. Auf Chinesisch spricht er in sein Handy; eine App übersetzt und eine digitale Stimme spricht mit euch auf Englisch: "Herzlich willkommen. Es tut mir Leid, ich spreche kein Englisch. Bitte haben Sie Verständnis... Sie sind sehr hübsch... Deutsche Autos sind die besten der Welt." Bereits während er die beiden letzten Sätze auf Chinesisch an sein Handy richtet, wird das Grinsen des Mannes breiter als er groß ist und die Daumen gehen nach oben. Aus dem Grinsen kommt er gar nicht mehr raus und ihr könnt nicht anders, als lauthals mitzulachen und eure Daumen ebenfalls hochzuhalten. In solchen Momenten würde jeder von euch alle Strapazen vergessen und China lieben...
So wie wir - in Momenten wie diesen. Und glücklicherweise sind es die schönen Momente, die uns im Gedächtnis bleiben und auch dieses Mal dazu bewegen werden, erneut nach China zu reisen - auch wenn wir uns, zugegebenermaßen, das ein oder andere Mal während der vergangenen 14 Tage gefragt haben, was um alles in der Welt uns dazu bewogen hat, unsere Ferien in China zu verbringen.
Zum Glück sind wir dieses Auf und Ab, welches in China ein ständiger Reisebegleiter ist, schon von den vergangenen Malen im Reich der Mitte gewohnt: China ist nicht einfach zu bereisen, aber genau das macht den Besuch so lohnenswert und bereichernd. Ob auf der Suche nach Essbarem, einem halbwegs sauberen Klo, dem richtigen Weg, unseren Rucksäcken am Shanghai Flughafen,... China kann des Reisenden Geduld ganz schön auf die Probe stellen; aber China, und dieses Mal ganz besonders, kann auch sehr verzaubern.
Etwas, das in dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, wo eine Stadt mit 1 Million Einwohnern bereits als Kleinstadt zählt, für den Reisenden ganz und gar nicht selbstverständlich ist, ist frische Luft, Natur und weite (fast) unbebaute Landschaft. Und genau das hat der Süden in Fülle zu bieten; nicht umsonst dienen dessen romantische Kulissen seit Jahrhunderten als Inspiration für Poesie und Kunst.
Während es uns die beiden anderen Male in China eher in die westlichen Provinzen bzw. in die Großstädte des Osten verschlagen hat, standen dieses Mal die Provinzen Guanxi und Hunan im Süden Chinas auf dem Programm. Guanxi grenzt im Südwesten an Vietnam und im Osten an Hongkong, Hunan liegt in dessen Norden. Beide Provinzen sind sehr ländlich geprägt.
Die Gegend rund um Guilin, wo wir unsere erste Woche verbracht haben, ist berühmt für seine flussdurchzogene Karstlandschaft: bewaldete oder mit Tee- oder Obstplantagen übersäte Hügel. Egal ob von den Flussufern des Li bzw. des Hulong Flusses oder von einem der Tausenden kleinen Gipfel, ob bei Sonnenauf- oder Untergang, umhüllt von Regen oder Nebel, das Meer aus grünen Hügeln ist einfach wunderschön und bestens zum Erkunden auf Rad, Moped oder per Bambussfloß geeignet.
Und beim Anblick nicht nur der sagenhaften Natur, sondern auch beim Beobachten der Bauern, Fischer, Teepflückerinnen, Kinder,... oder auch nach gemeinsamen Gläsern Tee und Gesprächen mit den soooo freundlichen Einheimischen, fällt es uns meist nicht allzu schwer, über die bekannten Unschönheiten Chinas hinwegzusehen.
Und glücklicherweise mussten wir uns auch nur eine Woche im Alleingang zurechtfinden. Die zweite Woche verbrachten wir mit Millie, unserer chinesischen Freundin, ehemals Couchsurferin aus Shanghai, in Zhanjiajie, einem Nationalpark in Hunan, der berühmt ist für seine monolithischen Karstberge, die als Inspiration für die Halleluja-Berge aus Avatar dienten. Während dieser Zeit kamen wir mal wieder in den Genuss ihrer Reiseart - und die unterscheidet sich maßgeblich von unserer: anstelle öffentlicher Verkehrsmittel, fährt uns ein Fahrer in einem bequemen Buick Van von A nach B; anstelle zum Teil einfacher, kleiner und individueller Gästehäuser geht es in 5- Sterne Hotels mit bequemen flauschigen Betten und großzügigem Frühstücksbuffet; vor dem Essen, was nun nicht mehr vermehrt in Garküchen am Straßenrand gegessen wird, wird uns ein feuchtes Tuch zum Desinfizieren der Hände gereicht; nach langen Wandertagen werden wir mit Massagen verwöhnt und das Beste überhaupt, mit Millie verstehen wir einfach ALLES und jeden!!!!
Dabei klappt insbesondere das mit dem Verstehen und Verständigen von Mal zu Mal besser. Timo und ich können nun schon ein paar Infos über uns gut verständlich ausdrücken, womit wir den Chinesen immer ein großes Lächeln ins Gesicht zaubern, UND wir haben die Zahlen bis 1000 gelernt ;-) - ein besonders toller Zeitvertreib in Warteschlangen und während langer Fahrten. Alles andere erledigt die oben genannte App. Zum Lesen der Symbole haben wir dieses Mal auch eine App gehabt, womit wir sogar Speisekarten haben übersetzen können. Hen hao!
Nun befinden wir uns gerade im Flugzeug. Mit etwas Wehmut aber auch einer ganz schön großen Portion Vorfreude geht es heute zurück gen Westen.
Fehlen werden uns der Reisealltag, das tägliche Erleben und Sehen von Unbekanntem, die harmonische fast schon meditative chinesische Musik, die fast immer und überall klingt, das Leuchten der roten Lampions bei Nacht, (welches uns ganz besonders gut in den Städtchen Fenghuang und Huangyao gefallen hat), die viele Bewegung und das ständige Draußensein in der freien Natur, die Vielfalt an geschmackvollen exotischen Früchten UND sicherlich auch der ein oder andere Chinese; Millie definitiv ;-)
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